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PORTRÄT, Monopol- Magazin 2023(DEUTSCH)

WATCHLIST
EIN KÜNSTLER, DER UNS AUFGEFALLEN IST

Artikel von JENS HINRICHSEN, Monopol- Magazing 2023.

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Wie ein Eisblock wirkte der raumhohe Quader, den Bahzad Sulaiman vor zwei Jahren in der Saarbrücker Kunsthochschule errichten ließ. Das Innere des Settings bestand aus Stellwänden, dazwischen vier Performer, einer von ihnen Sulaiman selbst.
Die Außenhaut der Skulptur bestand aus milchiger Hygienefolie, die von innen mit Händen, Füßen und Köpfen bewegt wurde. Ein Kirchenlied erklang, und im Lauf der Performance „AnDeres“ traten Akteure aus dem Block heraus, weiter mit weißlicher Folie behängt.
Performen in der Pandemie: Aus einer auf Ührungspraktischen Frage wurde bei dem 1991 in Syrien geborenen Künstler eine Form. Sulaiman kann schon heute auf ein vielgestaltiges, Mediengrenzen auflösendes Werk zurückblicken.
An Projekten wie „AnDeres“ finden sich Spuren, die auf Sulaimans Studienjahre in Damaskus zurückverweisen; an der dortigen Universität der Künste studierte er Bildhauerei, an der Theaterakademie in Damaskus schloss er als Bühnenbildner ab. „Das waren sehr klassische Ausbildungen“, erzählt Bahzad Sulaiman im Zoom-Gespräch. Danach habe er als Tänzer am Theater gearbeitet.
In Deutschland, wo er seit 2016 lebt, hat sich seine Praxis weiterverfeinert und verästelt. 2019 schloss er sein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Saar ab. Ein Freund hatte ihm den Rat gegeben, ins Saarland zu gehen, weil „man hier schneller lernen kann und mehr Ruhe hat“.


Performance und Installation bilden heute seine Schwerpunkte. Auf eine bestimmte Ästhetik will er sich nicht festlegen lassen. Sulaiman ist Kurde, er wuchs im Nordosten Syriens auf, inmitten einer „großen kulturellen, sprachlichen und ethnischen Vielfalt“, wie er erzählt.
Der Künstler liebt es, sich von zuvor ungekannten Traditionen inspirieren zu lassen. Etwa vom bulgarischen Kukeri-Fest, von dem er die Ziegenkostüme aus echtem Tierfell adaptierte und mit den zotteligen Gestalten 2020 auf einem Stuttgarter Platz eine Tanzperformance aufführte.
Biologische Körper und tote Dinge sind für den Künstler keine Gegensätze. Tanzende Menschen betrachtet er als „dynamische Skulptur“ – und Gebrauchsobjekte sind für ihn dann interessant, wenn sie die Spuren ihrer früheren Nutzer in sich tragen. In der Kunsthalle Mannheim ist zurzeit Sulaimans Lichtinstallation „Resurrection“ zu sehen, aus aufeinandergestapelten Elektrogeräten bestehend, die von innen heraus farbig leuchten: Kühlschränke in warmen, Backöfen in kalten Farben. Auferstehung in ein neues Leben als Kunstobjekt. „Ich bin nicht gläubig“, sagt Sulaiman. „Aber religiöse Praktiken faszinieren mich.“
Als interessantes Spielfeld betrachtet Sulaiman auch die Oper. Unter dem Titel „Das Flüssige zwischen uns“ hat der Künstler eine Performance !ür die Moderne Galerie des Saarlandmuseums entwickelt, in der Opernsängerinnen und Tänzer elf verschiedener Nationalitäten auftreten. Die Gesangstexte stammen von der Schweizer Künstlerin Johanna Kotlaris, der Komponist Rúben Borges hat die Musik beigesteuert. Auch dieses Projekt gehe auf Erfahrungen in der Pandemie zurück und drehe sich vor allem, so Sulaiman, „um Autismus und Soziophobie“. Die Angst trennt uns. Er will die Menschen zusammenbringen. Das Eis kann schmelzen.