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Bahzad Sulaiman ©ASTRID KARGER

Die Frage von Nähe und Distanz, SAARBRÜCKER-ZEITUNG 2023 (DEUTSCH)

Artikel von ASTRID KARGER , Saarbruecker-zeitung 2023.


Mit dem Projekt „Das Flüssige zwischen uns“ möchte Bahzad Sulaiman den Druck spürbar machen, dem zum Beispiel Autisten ausgesetzt sind, wenn zu viel Information auf sie einströmt. Die Performance wird an drei Abenden in der Modernen Galerie gezeigt.
Das Konzept und die Inszenierung der Performance „Das Flüssige zwischen uns“ stammen von Bahzad Sulaiman. Der studierte Bildhauer lebt seit seiner Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg 2016 in Saarbrücken. 2022 erhielt er den Kulturpreis für Kunst des Regionalverbandes Saarbrücken.

SAARBRÜCKEN | In der Modernen Galerie findet an drei Abenden, am 30. Juni, 1. Juli und am 2. Juli., „Das Flüssige zwischen uns“ von Bahzad Sulaiman statt. Die Performance fragt nach Nähe und Distanz, wirft den Blick auf Menschen, bei denen soziale Angst (Soziophobie) oder ASS (Autismus-Spektrum-Störung) diagnostiziert wurde.
Bahzad Sulaiman wurde 1991 geboren, er studierte in Damaskus Bildhauerei und Szenografie. Seit seiner Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg 2016 lebt der Kurde in Saarbrücken, 2022 erhielt er den Kulturpreis für Kunst des Regionalverbandes Saarbrücken.
Im Studium der Bildhauerei ging es vor allem darum, ein Objekt herzustellen, die Szenografie, also die Inszenierung im Raum, stellt die Frage nach „Kontext und Narrativ“ des Objekts, so wie ein Stuhl, je nachdem, wo er steht, andere Bedeutung haben kann. „Ich bringe ein Objekt in einen Raum, was geschieht dadurch mit dem Raum?“ In einer Ausstellung wird ein Objekt, das anderswo reine Dekoration oder Gebrauchsgegenstand wäre, als Kunst betrachtet.


Bahzad Sulaiman versteht den eigenen Körper als „mobile Skulptur, sich dynamisch im Raum bewegend“, in seiner Kunst geht es oft um den menschlichen Körper, der mit seinen Spuren und Narben auch wie ein Archiv gelesen werden könne, „Landschaften“ zeige, auch im Detail der Unterarmseite zum Beispiel.
Sulaiman sah, dass die Frage von Nähe und Distanz von Menschen mit Phobie oder Autismus nochmal ganz anders verhandelt wird, und dass diese Menschen mit ihrem befremdlich wirkenden Verhalten Ablehnung erfahren. Es verlangt Toleranz und Anpassung, Menschen mit Psycho sozialer Störung innerhalb der von ihnen gesetzten Grenzen zu begegnen. Wäre aber nicht genau das, fragt sich der Künstler, der wichtige Schritt weg vom Normdenken? „Ich versuche Distanz mit Flüssigkeit zu verbinden“, sagt Sulaiman.
Er erläutert seinen Gedanken mit dem Bild eines mit Wasser gefüllten Ballons, der auf Druck nachgibt, das Wasser wird verdrängt und der Ballon nimmt eine andere Form an. Mit der Performance „Das Flüssige zwischen uns“ möchte er den enormen Druck spürbar machen, dem zum Beispiel Autisten ausgesetzt sind, wenn zu viel Information auf sie einströmt. Menschen, die Herausragendes leisten, wenn sie den Raum haben, sich auf eine Wahrnehmung zu konzentrieren, zu fokussieren.

Ausblenden zu können, ist die Fähigkeit, die hilft, mit Informationsflut klar zu kommen, fehlt sie, wird fast jede Umgebung zum unerträglichen Chaos. Opernsängerinnen und Tänzer aus zwölf Nationen suchen Ausdruck für diese besondere Art der Wahrnehmung, eine gewisse Überforderung des Publikums ist kalkuliert. „Wir versuchen, diese Energie in den Raum zu stellen, die Verwirrung, den Druck.“ Die performativen Elemente, mit denen dies gelingen soll, erarbeiten die Künstler gemeinsam. Grundlage sind das Konzept von Bahzad Sulaiman, das Libretto der Schweizer Perfomance- Künstlerin Johanna Kotlaris und die Komposition von Rúben Borges. Bewegung, Klang und Gesang – zu den Tänzerinnen, Musikern und Sängerinnen kommen noch zwei Dirigenten, sie sind zu fünfzehnt auf der Bühne. Ein und dasselbe Wort kann je nach Betonung sehr unterschiedlich aufgefasst werden, immer sind es Sender und Empfänger, die Kommunikation herstellen, spielt das „wie“ eine ebenso große Rolle wie das „was“.
Der Komponist Rúben Borges ist Portugiese, er lebt in Belgien, Deutsch spricht er nicht, für „Das Flüssige zwischen uns“ komponiert er so, wie er den Klang des deutschsprachigen Librettos empfindet. Bahzad Sulaiman bereitet das Projekt seit zwei Jahren vor, er macht alles alleine, ohne Produktionsbüro, von der künstlerischen Konzeption über die Anträge auf Förderung bis zur Such nach Betten für die angereisten Künstlerinnen und Künstler.
Die Performer hat er in ganz Europa gefunden, beispielhaft zählt er auf; „Ein Tänzer kommt aus Bulgarien, aber lebt in Spanien, eine Sängerin kommt aus Estland und lebt in Belgien, eine Sängerin kommt aus Südkorea und lebt in Deutschland“, und so fort. Eine große Verantwortung gegenüber jedem Einzelnen, manche waren noch nie in Deutschland, Sprache bei den Proben ist Englisch. „Perfomance ist für mich wie eine Reise, jeder soll das Erlebnis haben.“
Bahzad Sulaiman beobachtet seit der Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und seelischen Folgen gerade auch für Künstler, eine gesteigerte Aufmerksamkeit für „mentale Gesundheit.“

Finanziert wird das Projekt vom Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes, der Landeshauptstadt Saarbrücken, der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, dem Rotary Club Homburg-Saarpfalz, dem Haus Afrika, von Yekiti Saarbrücken, der Arbeit und Kultur Saarland gGmbH und der Hochschule der Bildenden Künste Saar.