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Bahzad Sulaiman © Lukas Ratius

PORTRÄT, SAARBRÜCKER-ZEITUNG 2022 (DEUTSCH)

„Wir haben kein Land, aber wir haben alles“

Artikel von SEBASTIAN DINGLER, Saarbruecker-zeitung 2022. Article link: click here
©Lukas Ratius

Bahzad Sulaiman erhält den Kulturpreis für Kunst des Regionalverbandes Saarbrücken. Der in Syrien geborene Künstler mit kurdischen Wurzeln macht auch in seiner Kunst seine Herkunft zum Thema. Denn er wünscht sich, dass man in seiner Wahlheimat Deutschland besser versteht, wer die Kurden sind.

SAARBRÜCKEN Seit acht Jahren verleiht der Regionalverband Saarbrücken einen „Kulturpreis für Kunst“. Im jährlichen Turnus wechseln sich dabei Musiker und andere Künstlerinnen und Künstler ab. Am Dienstag, 22. November, geht die mit 4000 Euro dotierte Auszeichnung an den interdisziplinären freien Künstler Bahzad Sulaiman.

Der 31-Jährige wurde in Rmelan in Syrien geboren. Die Stadt gehört zu jener grenzüberschreitenden Region, aus der die Kurden stammen Sulaiman ist einer davon. In seiner Kunst thematisiert er seine Herkunft häufig. 2015 verließ er sein Heimatland und lebt seit 2016 in Deutschland.

„Ich bin ein Künstler mit kurdischen Wurzeln, wobei mein künstlerischer Schwerpunkt auf Performance, Installation und Skulptur liegt“, sagt er.


In Deutschland empfindet Sulaiman es als Privileg, dass er seine kurdische Identität offen zeigen kann. Eines seiner Ziele ist, dass man hierzulande versteht, wer die Kurden sind.

„Wir haben kein eigenes Land, aber wir haben eine eigene Sprache, Kultur, Musik, Geschichte, Tanz, wir haben alles.“

Bereits in Damaskus studiert Sulaiman Bildhauerei und Theaterdesign und schließt beides mit dem Bachelor ab. Weshalb er ausgerechnet im Saarland landet, liegt am Ratschlag eines Freundes.

„Er sagte mir, dass man hier schneller lernen kann und mehr Ruhe hat.“ Zunächst lebt Sulaiman in Saarlouis- Ensdorf und macht dort seinen Sprachkurs. „Anfangs war es hart, die Sprache, die Szene, die Strukturen, aber danach war es gut. “ Die leider dieses Jahr verstorbene Künstlerin Elvira Porn hilft ihm, indem sie ihr Atelier zur Verfügung stellt.

2017 beginnt er an der Hochschule für Bildende Kunst (HBK) in Saarbrücken sein Master-Studium in Freier Kunst. „Ich war in drei Klassen: Bei Eric Lanz bekam ich den Zugang zu Videoperformance und Fotografie. Bei Daniel Hausig ging es eher um Licht, bei Georg Winter um Performance und Bildhauerei.“

2019 schließt er ab und gibt anschließend selbst Kurse in Performance an der HBK. Sulaimans künstlerisches Werk zusammenzufassen ist schwierig, denn es gibt fast kein Metier, in dem er sich nicht schon bewegt hat. Neben Performance, Installation und Skulptur hat er sich auch schon mit Malerei, Tanz, Theater, Fotografie und Videokunst beschäftigt alles sehr gut nachvollziehbar auf der Webseite bahzad.de.

„Kunst ist meine Sprache und ich beherrsche viele Dialekte, um sie umzusetzen“, sagt Sulaiman, der Kurdisch, Arabisch, Englisch und Deutsch spricht und gerade Spanisch lernt. Die Sprachbegabung hilft ihm bei seinen vielen Reisen: Das Multitalent zeigt seine Werke auf der ganzen Welt. So etwa in Kanada, England, Spanien, Brasilien und Holland.

Man hat den Eindruck, dass Sulaiman sehr viel zu tun hat. Außerdem konnte er schon mal ein Stipendium ergattern, auf das sich 420 Künstler beworben hatten. Trotzdem sagt er: „Manchmal hab ich einen Monat lang nix. Dann wird man unruhig und fragt sich: Wie kommen die Kosten wieder rein?“ Das Dasein als freier Künstler sei eine ständige Gratwanderung.

Wie schon erwähnt: Sulaiman ist als Künstler zu vielseitig, um sein Gesamtwerk in wenigen Worten zu beschreiben. Es bleibt nur übrig, sich einzelne Kunstwerke herauszupicken. Seine Videoarbeit „Look up to this move“ zeigt zwei sich mit Wangenküssen begrüßende Männer. Der Künstler sagt dazu: „Die Begrüßung, das war für mich interessant. Warum geben wir uns die Hand, warum küssen manche? Viele Menschen mit anderem kulturellem Hintergrund küssen sich nicht zur Begrüßung in Deutschland, weil sie Angst davor haben, als schwul zu gelten.“

Für Sulaiman bedeutet Integration nicht, dass sich Migranten anpassen müssen. „Es geht darum, sich zu respektieren und voneinander zu lernen. Solche Fragen will ich in meiner Kunst mehr und mehr thematisieren.“

In seinen interdisziplinären Kunstwerken behandelt er also auch sozialpolitische Fragen. In einer Ausstellung, die in Berlin gezeigt wurde, beschäftigte sich Sulaiman mit der Symbolwirkung von Farben. In seiner Heimat, so erzählt er, trugen die Kurden Bändchen mit den Farben der kurdischen Flagge: Rot, Gelb und Grün. „Das war in Syrien eine Art von subtilem Widerstand.“ Häufig hat Sulaiman auch schon mit dem gearbeitet, was er „dynamische Skulptur“ nennt: Das sind sich bewegende Körper in einer Performance, die so wirken, als sei eine Skulptur zum Leben erwacht. Dazu sagt er:

„In meiner Arbeit setze ich mich mit dem menschlichen Körper als dynamisch-bewegliche Form und modifizierbare Struktur auseinander. Ich erforsche seine vielfältigen Dimensionen und betrachte seine Oberfläche und Tiefe in seiner Zeitlichkeit: als Erinnerungsarchiv, als Gegenwartslandschaft, aber auch als Ort und Möglichkeitsraum einer anderen Zukunft.“


Das schon erwähnte Stipendium brachte ihn noch mit einer weiteren Kunstform in Berührung, nämlich der Oper. „Das Programm heißt Enoa. Sie suchen Künstler, die interdisziplinär arbeiten und nichts mit der Oper zu tun haben. Sie wollen dadurch neue Einflüsse in die Oper bringen.“ Die Beschäftigung mit dieser Kunstform empfindet er als Erweiterung seines eigenen Schaffens um die Musik. Die Vielfalt hat sich Sulaiman also nicht nur auf die Fahnen geschrieben er lebt sie tatsächlich auch.